Offener Brief: Keine Privatisierung des Städtischen Altenheimes Fürth

30.12.2020

Das Städtische ALtenheim Fürth ist absehbar ins Defizit gerutscht, wie die Medien aktuell berichten: Millionendefizit: Fürths städtisches Altenheim gerät in Schieflage - Fürth - nordbayern.de 

Die nun ins Kraut schießenden Ideen gehen in die völlig falsche Richtung. Wir fordertn

  • -          Keine  Privatisierung des städtischen Altenheims oder Teilen davon
  • -          den Erhalt der Arbeitsplätze bei der Stadt Fürth
  • -          und den Erhalt der Arbeits- und Einkommensbedingungen und der betrieblichen Altersversorgung nach den Reglungen des TVÖD!

 
Altenpflege

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WORTLAUT DES OFFENEN BRIEFES

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  Herrn Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung

   Fraktionen im Stadtrat der Stadt Fürth

 

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Thomas,

sehr geehrte Damen und Herren Stadträt*innen,

 

mit großer Sorge, ja mit Entsetzen, haben wir aus der lokalen Presse von den Überlegungen der Stadtspitze erfahren, wie dem Defizit des Städtischen Altenheims beizukommen sei.

 

Es kann nicht sein, dass die Beschäftigten der Einrichtung nun die Zeche dafür zahlen sollen, dass die Stadt offensichtlich einen Pachtvertrag abgeschlossen hat, der eine viel zu hohe Pachtzahlung vorsieht und gleichzeitig wegen des unerledigten Sanierungsbedarfes nur 80 der 102 Plätze nutzen kann. Es ist richtig, dass es manche Wohlfahrtsverbände schaffen, ein Altenheim kostendeckend zu betreiben, die meisten sogar (!), aber Voraussetzung dafür ist, dass eine durchschnittliche Auslastung von ca. 97% erreicht wird, was in der Branche normalerweise als Schwellenwert genannt wird, d.h. als Voraussetzung für kostendeckenden Betrieb.

Von daher kann das diesjährige Millionendefizit für niemanden eine große Überraschung sein. Denn die Auslastung der 102 Plätze im städtischen Altenheim beträgt aufgrund der genannten Umstände nicht einmal 80%. Es handelt sich also um ein Defizit mit Ansage!

 

Wenn alleine dadurch ein Ertragsausfall von 700.000 € entsteht, liegt es doch auf der Hand, was geschehen muss. So ist es sicherlich richtig, wenn der  Verpächter die umgehende Sanierung des derzeit nicht nutzbaren Gebäudeteiles in Aussicht stellt. Ob aber  eine Mietminderung wg. des schlechten Zustandes eines Gebäudeteiles um 33.000 € jährlich bis zum Abschluss der Sanierung ausreichend ist, wagen wir zu bezweifeln. Möglicherweise muss eine stärkere Mietminderung geprüft werden, und ebenso, ob ggf. eine Ertragssteigerung durch höhere Mieten im nutzbaren Teil erreicht werden kann.

 

Das sind Maßnahmen, die auch ein Wohlfahrtsverband prüfen müsste. Denn er wäre ja auf kostendeckenden Betrieb angewiesen, wenn er nicht Pleite gehen will.

Was ein Wohlfahrtsverband sicher noch überprüfen würde, ist, wie er zusätzlich Kosten sparen könnte, vorzugsweise wohl beim Personal. Und er würde wohl fündig werden. Denn keiner der Tarifverträge und sog. allgemeinen Arbeitsbedingungen der Wohlfahrtsverbände inklusive der betrieblichen Altersversorgung erreicht das Niveau des TVÖD, also des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst! Dieser ist die Leitwährung für die Entwicklung der Arbeitsbedingungen in der Branche. Jahr für Jahr versuchen wir als für die Gesamtbranche zuständige Gewerkschaft in eigenständigen Tarifverhandlungen mit AWO und BRK und durch Einflussnahme auf die Entwicklung der kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen (AAB) uns nach und nach wieder erneut an diese Leitwährung anzunähern, damit auch die Beschäftigten bei den Wohlfahrtsverbänden eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Einkommensbedingungen erfahren, ohne jedoch das angestrebte Niveau bisher eins zu eins erreicht zu haben.

 

Es wäre ein schlimmer Rückschritt für die Beschäftigten des städtischen Altenheimes und ein schlimmes Signal für die Beschäftigten in der gesamten Branche, wenn die Problemlösung das Signal senden würde, dass ein künftig wieder kostendeckender Betrieb angeblich nicht zu den Bedingungen des TVÖD möglich sei. Das würde auch den  jüngsten Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst, bei dem ja bewusst auf deutliche Einkommenssteigerungen im Pflegebereich gesetzt wurde, um wegen des eklatanten Personalmangels die Branche wieder attraktiv zu machen, auf der Arbeitgeberseite zur Heuchelei verkommen lassen. Es geht nicht, dass man zur Show einerseits den Tarifvertrag verbessert, um sagen zu können „Schaut her, wir tun doch was für die Attraktivität der Pflegebranche“, und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit die letzten verbliebenen Einrichtungen in Öffentlicher Hand auch noch abgibt um sich den Kosten dafür zu entziehen.

 

Für die Pflegekräfte, das Reinigungspersonal, das Küchenpersonal usw. geht es deshalb um viel. Es klingt nur auf den ersten Blick beruhigend, wenn ihnen einen Tag vor Heiligabend vom Oberbürgermeister via Fürther Nachrichten verkündet wird, dass sich niemand um seinen Arbeitsplatz sorgen müsse.

Zumindest die Höhe des Einkommens und die Betriebliche Altersversorgung sind in Gefahr, wenn ein Wohlfahrtverband übernimmt und damit seine eigenen Tarifregelungen oder Arbeitsvertragsrichtlinien (AAB) etabliert! Für die Beschäftigten der Küche gilt die Aussage des Herrn Oberbürgermeisters offensichtlich sowieso nicht, wenn Finanzreferentin Fr. Dr. Ammon gleichzeitig  damit zitiert wird, dass für eine Senkung des Defizites u. a. die Beauftragung eines Caterings für das Mittagessen in Frage kommt! Wo bitteschön sollen diese Beschäftigten, unsere Kolleginnen und Kollegen, denn hin, wenn ihre Tätigkeit, nämlich die Zubereitung des täglichen Mittagessens, von einem externen Caterer übernommen wird!?

 

Es ist also auch keineswegs zweitrangig, wie Sozialreferentin Frau Elisabeth Reichert meint, ob das von ihr favorisierte Gesamtkonzept eines Seniorenzentrums mit Wohnungen auch für das Personal und einer Kindertagesstätte als städtisches Angebot realisiert werden kann. Für die betroffenen Beschäftigten ist das sogar sehr wichtig. Und auch für die Bewohner*innen ist es nicht egal. Letzten Endes hängt auch ihre Lebensqualität ein Stück weit von der Arbeitszufriedenheit und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Dass diese massiv Schaden nimmt, wenn Beschäftigte unverschuldet um ihre Arbeitsbedingungen, ihre Einkommenshöhe oder ihre zukünftige Altersversorgung fürchten müssen, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Dass es ebenso einen Qualitätsunterschied macht, ob das tägliche Mittagessen in der hauseigenen Küche frisch hergestellt wird und dank der kurzen Wege auch frisch auf den Tisch gebracht wird oder ob nur ein Essen, von einem externen Caterer eingeschweißt und vor Stunden hergestellt, serviert werden kann, macht ebenfalls einen Unterschied. Wer den Wettbewerb  in der Branche über die Qualität und nicht über die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen austragen will, wird das zu berücksichtigen haben.

 

Die Stadt Fürth sollte also nicht versuchen sich der Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und Bewohnerinnen und Bewohner zu entziehen, indem sie die Einrichtung privatisiert und die Grausamkeiten wie Tarifänderungen, Mietsteigerungen, Verschlechterungen des Dienstleistungsangebotes, etc. durch Dritte erledigen lässt, z. B. einen Wohlfahrtsverband, sondern sie sollte sich der Verantwortung stellen und die Einrichtung sanieren insbesondere durch Maßnahmen, die mittelfristig eine deutliche Steigerung der Erträge ermöglichen und nicht durch Einschnitte beim Personal. Fehlende Expertise dafür würde uns verwundern auch wenn die Stadt Fürth nur dieses eine Seniorenheim betreibt. Schließlich wurde die Einrichtung bereits als sie noch das Stiftungsaltenheim war schon seit Jahrzehnten im Auftrag der Stiftung von der Stadt erfolgreich verwaltet und betrieben.

 

Wir finden, eine Privatisierung oder Teilprivatisierung, und um so eine handelt es sich, auch wenn ein Wohlfahrtsverband übernimmt, passt nicht in die Zeit. Nach einem Jahr, das deutlich gezeigt hat, wie sehr wir von den herausragenden Leistungen der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen abhängig sind, den betroffenen Beschäftigten zum Zwecke der Kostensenkung ggf. eine Fremdvergabe und damit ein niedrigeres Einkommen oder eine schlechtere betriebliche Altersversorgung zuzumuten, ist ein No Go! Vergessen wir nicht, dass es sich beim Betrieb von  Altenheimen um Einrichtungen der Daseinsvorsorge handelt, die keinen Gewinn abwerfen müssen und für deren Betrieb die Gesellschaft übergangsweise auch einmal für gewisse Zeit bereit sein sollte, ein Defizit mit Steuermitteln auszugleichen, bis die Voraussetzungen für einen kostendeckenden Betrieb wieder hergestellt sind.

 

Vor diesem Hintergrund fordern wir:

-          Keine  Privatisierung des städtischen Altenheims oder Teilen davon

-          den Erhalt der Arbeitsplätze bei der Stadt Fürth

-          und den Erhalt der Arbeits- und Einkommensbedingungen und der betrieblichen Altersversorgung nach den Reglungen des TVÖD!

 

Dafür bitten wir um Ihre Unterstützung bei den anstehenden Entscheidungen!

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Bernhard Bytom

Gewerkschaftssekretär im

ver.di - Bezirk Mittelfranken

Fachbereich 3, Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen

Kornmarkt 5-7

90402 Nürnberg