Erneute 48 Stunden- Warnstreiks im Gesundheitswesen TVöD in Mittelfranken
Um vor der dritten Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst den Druck auf die Arbeitgeberseite zu erhöhen legen Beschäftigte aus dem Gesundheitsbereich in dieser Woche erneut für 48 Stunden die Arbeit nieder. Ein Notdienst bleibt dabei gewährleistet. Die Gewerkschaft ver.di fordert Entgelterhöhungen von 10,5%, mindestens 500 Euro, das bisherige „Angebot“ der Arbeitgeberseite ist völlig unzureichend und wird insbesondere von Beschäftigten im Gesundheitsbereich als beleidigend empfunden. Am Mittwoch den 22.3. treffen sich die Streikenden aus dem Gesundheitsbereich um 8 Uhr am Klinikum Nürnberg Nord zu einer Großdemonstration um dann am Kornmarkt mit den Demonstrationszügen der Streikenden aus den anderen Bereichen des öffentlichen Diensts zusammen zu kommen. Es könnte die größte Demonstration werden, die Mittelfranken seit vielen Jahren gesehen hat.
Beschäftigte des Klinikums Nürnberg und dessen Servicegesellschaft KNSG, des Klinikums Fürth, des NürnbergStifts, der Krankenhäuser Schwabach, Roth, Nürnberger Land, des Landkreises Bad Windsheim und Dr. Erler streiken am 21.3. und 22.3. Die Streikenden aus Nürnberg treffen sich dazu am Dienstag um 9 Uhr zu einer Streikkundgebung vor dem Gesundheitsministerium am Gewerbemuseumsplatz, wo am letzten Mittwoch die beeindruckende Streikdemonstration mit über 2.000 Beteiligten aus dem Gesundheitsbereich geendet hat. Die Streikenden des Klinikums Fürth treffen sich am Dienstag um 8 Uhr am Haupteingang des Klinikums. Beschäftigte der Bezirkskliniken Mittelfranken und des Klinikverbunds ANRegiomed streiken am 22. und 23.3. und treten am Donnerstag ab 10 Uhr an der Pforte des Bezirksklinikums Ansbach für ihre Forderungen ein. Beschäftigte aus der Behindertenhilfe und der AWO streiken am 22.3. und beteiligen sich ebenfalls an der Großdemonstration.
„Die Aussage der Arbeitgeberseite, es gäbe einen Fachkräftemangel nur in den Führungseben, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Wir haben aktuell in allen unseren 30 Einrichtungen unbesetzte Stellen. Die Belastungen sind für alle enorm, Überstunden wachsen stetig weiter, nur leider das Einkommen nicht. Gerade bei den Hilfskräften führt dies neben den beruflichen Belastungen zu finanziellen Nöten und Engpässen, was sich wiederum auf die Gesundheit der Kolleg*innen auswirkt,“ erklärte Julia Sucker, Sozialpädagogin und Betriebsrätin in der Lebenshilfe Nürnberg. „Wir führen einen harten und anstrengenden Arbeitskampf, um dafür zu sorgen, dass sich etwas bewegt. Damit nicht noch mehr Kolleg*innen in andere Einrichtungen abwandern braucht es ein deutlich besseres Angebot im öffentlichen Dienst, denn die beste Medizin gebührt uns Allen. Gutes, erfahrenes Personal erhält man nur über eine adäquate Bezahlung. Dafür kämpfen wir!“ fügte Christian Wetzler aus der Onkologiepflege im Klinikum Nürnberg Nord hinzu.
Auch Beschäftigte der kommunalen Altenpflege bringen sich aktiv in die Streikbewegung ein. „Jeder Mensch wird alt und benötigt irgendwann Hilfe. Die Menschen, die diese Arbeit in der Altenpflege leisten, brauchen endlich eine Bezahlung, die ihrer herausragenden Leistung für unsere Gesellschaft entspricht. Die katastrophale Bezahlung in diesem Bereich ist nicht länger hinnehmbar. Jede Altenpflegekraft leistet mehr für unsere Gesellschaft als alle Investmentbanker zusammen“, sagte Markus Sendelbeck, Hygienebeauftragter und ver.di Streikleitung am NürnbergStift.
Thomas Burschke, Fachkrankenpfleger für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie und Praxisanleiter für Pflegeberufe am Bezirksklinikum Ansbach, verdeutlichte die Notwendigkeit der Warnstreiks: „Die Politik erfüllt die Forderungen der Pflege seit Jahren nicht, auch deshalb sehen wir immer weniger Azubis in der Pflege, denn dieser schöne Beruf wird nicht den Rahmenbedingungen entsprechend honoriert, wenn man das Schichtsystem und das ständige familien-unfreundliche Einspringen an Sonn- und Feiertagen betrachtet. Ein attraktiver Tarifabschluss sollte bei dem aktuellen Pflegenotstand auch im Interesse der Arbeitgeber sein, um eine weitere Abwanderung aus dem Beruf vielleicht noch verhindern zu können. Wir brauchen in diesen Zeiten der Inflation die Sicherung unserer Lebensgrundlagen!“
Für zusätzliche Empörung sorgt dabei die Vorstellung der Arbeitgeberseite, die Bezahlung in Kliniken und Pflegeeinrichtungen mit finanzieller Schieflage sogar noch absenken zu wollen: „Mein Lohn gehört mir und meiner Familie. Ich bin nicht bereit, für die seit Jahren bestehenden Missstände in der Gesundheitspolitik auch noch zu bezahlen“, erläuterte Hilke Hörstel aus der Kinderklinik im Klinikums Fürth. „Ein Krankenhaus darf nicht gewinnorientiert geführt werden, sonst wird Gesundheit zur Ware. Die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen verschlechtern sich seit Jahren, dazu kommt die unzureichende Bezahlung. In immer neuen Kündigungswellen flüchtet daher das Pflegepersonal aus dem Beruf, geht in die Zeitarbeit oder die Teilzeit,“ ergänzte ihr Kollege Christian Gabler aus der Fürther Anästhesiepflege.
„Nicht der Streik, sondern der Personalmangel im Normalzustand gefährdet die Sicherheit der Patientenversorgung. Die Streikbeteiligung ist in den letzten Wochen enorm angewachsen, gleichzeitig bleibt ein Notdienst ähnlich wie an Wochenenden gewährleistet. Zudem werden einzelne Stationen streikbedingt geschlossen, in anderen wird die Bettenzahl reduziert, um auch in der stationären Pflege das Streikrecht zu gewährleisten und mit der Patientensicherheit zu vereinbaren. Die Kolleg*innen haben einen enormen Einsatz gezeigt, um in den Kliniken effektive und verantwortungsvolle Streiks zu organisieren und die Notdienstbesetzungen in oft anstrengenden Verhandlungen mit den jeweiligen Klinikleitungen zu vereinbaren. So sind etwa am Klinikum Nürnberg vier Stationsschließungen und sieben Bettenreduzierungen vorgesehen, verschiebbare Behandlungen und Operationen müssen umgeplant werden. Das Ziel der Streikenden ist es dabei, eine gute Versorgung auch längerfristig zu ermöglichen. Deshalb werden sie ihre Forderungen laut und unmissverständlich auf die Straße tragen“ erklärte ver.di Gewerkschaftssekretärin Joana Terborg.